TYPISCHE STRUKTUREN
Höfe- und Häuserreihen
Entlang der Verkehrswege entwickelten sich Siedlungsstrukturen – die Deichhufendörfer entlang der Deiche an den Flussläufen und die Marschhufendörfer entlang der Fleete. Da die traufständigen Gebäude in den Deich- und Marschhufendörfern häufig etwas schräg zu den Straßen stehen, verläuft die Firstlinie unregelmäßig. Insgesamt ergeben sich hieraus verschiedene lineare Wirkungen im Ortsbild je nach Standort und Perspektive. Diese linearen Reihen sind durch die spezifische Art der Kultivierung mit einem Gehöft und anschließender Hufe entstanden, als charakteristische Siedlungsstruktur sind sie von großer Bedeutung.
Deiche
Die Deiche sind für die Einwohner lebensnotwendige Maßnahmen der Existenzsicherung und für die Geschichte des Alten Landes von herausragender Bedeutung. Sie wurden bereits im späten 12. Jh. zum Teil nach der Kultivierung und Besiedlung errichtet, bis heute erhalten, sind sie raumwirksam im Landschaftsbild. Zu unterscheiden ist zwischen Fluss- und Hinterdeichen und Kajedeichen. Durch den Bau von Sperrwerken können die Mündungen von Schwinge, Lühe und Este bei Sturmfluten seit dem 20. Jh. geschlossen werden, sodass die Hauptdeichlinie seitdem am Elbdeich verläuft und die historischen Deiche im Sturmflutfall „nur ” vor dem Binnenwasser der Nebenflüsse schützen müssen. Die Hinterdeiche, die das Wasser von der Geest und aus den Moorgebieten abhalten, haben diese Funktion beibehalten.
Wege
Entlang der Wettern und Fleete wurde ein innerörtliches Wegesystem angelegt. Ebenso verliefen entlang der Flussufer auf der Innenberme der Deiche öffentliche Wege. Da die Wege aber in der nassen Jahreszeit kaum passierbar waren – der Name Muddweg (Schlammweg) deutet bis heute darauf hin – dienten Gräben, Fleete und Flüsse als Hauptverkehrsnetz.
Der Hauptverkehrsweg zwischen Hamburg und Bremen verlief im Mittelalter und in der frühen Neuzeit durch das Alte Land. Händler und Kaufleute nahmen die Route über Altona und Blankenese nach Cranz. Von 1847 bis 1873 wurde die Stade-Francoper-Chaussee (heute Obstmarschenweg) gebaut, darüber hinaus wurden innerörtlich in den 1960er Jahren Fleete zugeschüttet, um die Straßen zweispurig ausbauen zu können.
Die Minnerwege, auch Wetternwege genannt, waren ursprünglich nicht für den Durchgangsverkehr vorgesehen. Beim Bau der Wettern entstand aus der ausgeworfenen Erde eine Art vorläufiger Achterdeich. Die Halbfehrden – mittelniederdeutsch ferd, verd = Gang, halb = das halbe Grundstück diente als Weg – existieren heute noch als Wirtschaftswege.
Trotzdem zeigt das Verkehrsnetz im Alten Land die gleichen Strukturen wie vor Jahrhunderten.
Das Entwässerungssystem
Das System der natürlichen Wasserläufe, der Fleete, sowie der künstlichen Kanäle und Gräben, die im Alten Land Wettern genannt werden, wurde schon im Mittelalter perfektioniert.
Zwischen zwei Parzellen wurde je ein Abzugsgraben gelegt, der dann in eine größere Wettern floss. Mit der ausgehobenen Erde wurden die tief gelegenenen Grundstücke künstlich erhöht.
Die Wasserläufe im Alten Land mussten ein gewisses Gefälle haben, damit sie das überschüssige Wasser durch das niedrigere Sietland in die Schleuse im Hochland abführen konnten. Die Deichtore mussten nach Möglichkeit tief im Deich liegen. Die mittelalterliche Entwässerung des Marschlandes führte zu einem allmählichen Absacken des Grundwasserspiegels, die einen weiteren Ausbau des Entwässerungssystems erforderlich machten.
Ortskerne
Entlang der Verkehrswege entwickelten sich Siedlungsstrukturen. Die Deichhufendörfer die sich entlang der Deiche an den Flussläufen entwickelten und die Marschhufendörfer entlang der Fleete.
Manche Ortskerne der Deichhufensiedlungen sind zweizeilig bebaut, teilweise auch auf dem Deich. Der Ortskern von Jork dagegen ist flächig.
Baulich herausragend sind die in Backstein errichteten Kirchen und viele Gehöfte bzw. Häuser.
Die historischen Fachwerkbauten datieren meistens zwischen dem 16. Jahrhundert und bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Ab 1870 wird die Fachwerkbauweise durch Ziegelbauten ersetzt.
Obstbauflächen/Ackerland/Grünland
Diese Flächen sind erstmals großflächig auf der preußischen Landesaufnahme von 1878/97 dargestellt worden und erreichen in den 1960er Jahren ihren größten Umfang. Auch heute noch sind sie die dominante Nutzung im Alten Land.
Die Agrarflächen sind auf den Karten von 1765/72 deutlich dargestellt. Aus den quellenmäßig belegten Kornzehnten ist abzuleiten, dass diese Flächen seit der Kultivierung im 12. und 13. Jahrhundert als Ackerland genutzt wurden. Danach reduzierte sich die Ackerlandfläche bis zur völligen Aufgabe zugunsten der aktuellen Spezialkultur. Grünflächen sind erstmals auf der preußischen Landesaufnahme von 1878/97 dargestellt worden.
Kirchen
Der Kirchenbau hängt eng mit der Kolonisationsgeschichte des Alten Landes zusammen. Die Kirchen befinden sich in den Holländerkultivierungsdörfern Hollern, Stein-, Mitteln- und Neuenkirchen, Jork, Estebrügge. Die St.-Nikolai-Kirche in Borstel ist die älteste Kirche der „sächsischen“ Siedlungen auf den Uferwällen entlang der Niederelbe. Die Kirchen von Twielenfleth, Grünendeich und Neuenfelde, die Vorgängerkirchen hatten, mussten aufgrund der Zerstörungen durch die Sturmfluten an anderer Stelle wiederaufgebaut werden.
Die Kirchtürme sind in der Kulturlandschaft Altes Land von sehr großer Bedeutung für die Silhouettenwirkung. Hinzu kommt die sehr auffällige und regional charakteristische unverwechselbare Kirchenarchitektur hinsichtlich Proportionen, baulicher Besonderheiten bei den Kirchtürmen und dem Baumaterial bis hin zu der Innengestaltung. Weiterhin weisen die Kirchenschiffe ablesbare Bauphasen auf, denn Kirchen bilden zugleich die historische Bevölkerungsentwicklung ab.
Bemerkenswert ist die hohe Dichte kostbarer Orgeln – 8 der 10 Altländer Kirchen sind mit Orgeln des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger ausgestattet, der in Neuenfelde lebte und seine Werkstatt auf dem Orgelbauerhof betrieb.
Altländer Höfe
Bei den großen aufwendigen und sehr charakteristischen Altländer Höfen ist der vordere Wohnteil der Straße zugewandt und der Giebel als Schmuck- sowie Schaugiebel ausgestaltet. Die oberen Geschosse kragen zur Vorderseite aus und die Knaggen sowie Schwellen am Giebel sind mit Holzschnitzereien verziert.
Dieses Gestaltelement wird auch von späteren Steinbauten als Motiv um 1900 aufgenommen. Im Oberlicht befindet sich das Jahr der Erbauung oder der Übernahme mit dem Namen des Eigentümers.
Bei der Giebelzier können im Alten Land sowohl Pferdeköpfe als auch Schwäne festgestellt werden. Bei den historischen Bauten ist die variantenreiche Gestaltung des Buntmauerwerks zwischen den Gefachen auffallend, die aufwendig geschnitzte Knaggen, bunt bemalte, reich verzierte Brauttüren, und die einzigartigen Prunkpforten sind typisch für das Alte Land.
Der Wirtschaftsteil schließt sich dem Wohnteil unter dem gleichen Dach an. Weiterhin gibt es noch Durchfahrtscheunen und andere Wirtschaftsgebäude.
Im Rahmen der Intensivierung des Obstanbaus sind die Höfe mit größeren Obstscheunen für die Verarbeitung und Lagerung des Obstes erweitert worden.
Siele, Schleusen, Schöpf- und Pumpwerke
Das Entwässerungssystem wird aus Gräben und Kanälen sowie aus den Deichtoren, den Sielen und Schleusen gebildet. In ihrer Technik entwickelten sich die Siele von primitiven Durchlässen über einfache Klappsiele zu größeren Torsielen (um 1500). Während der Kolonisation des Alten Landes im Mittelalter wurde das Wasser durch Gräben und primitive hölzerne Siele in die Flüsse außerhalb der Deiche geleitet. Im Alten Land versteht man unter Sielen eintorige Klappen, unter Schleusen zweitorige Durchlässe.
Das überflüssige Binnenwasser wird seit dem späten 19. Jahrhundert mittels leistungsfähiger Pumpwerke entwässert, die heute automatisch arbeiten.
1960 begann die Polderung – Verrohrung der kleineren Gräben zwischen Stücken eines Hofes – vor allem in der Ersten und Zweiten Meile, die eine verbesserte Entwässerung zur Folge hatte. Kleinschöpfwerke pumpen seitdem das Wasser in die Wettern, so dass auch auf tieferliegenden Flächen Obstbau betrieben werden konnte.
In Perioden mit viel Niederschlag wird das überflüssige Wasser schnell abtransportiert, in trockenen Perioden muss ausreichend Süßwasser für die Bewässerung und den Frostschutz vorhanden sein.
Ziegeleien
Das Ziegelgewerbe expandierte in den 1870er Jahren (Gründerzeit) durch den Bedarf von Hamburg. 1872 gab es an den Ufern der Este zahlreiche Ziegeleien. Noch heute erinnern große Ziegelscheunen und abgeziegelte Flächen in der Landschaft daran.
Bracks
Einbuchtungen und Ausbuchtungen der gewöhnlichen Deichlinie entstanden durch Umdeichungen von Bracks, die nach Grundbrüchen entstanden. Dabei handelt es sich um tiefe Löcher, die das sturzartig eindringende Wasser bei Sturmfluten geformt hatte. Wenn diese Bracks ausgedeicht wurden, füllte die tägliche Flut sie wieder mit Schlamm und Klei auf, so dass sie wieder verschwanden. Wurde der Deich aber außen um das Brack gelegt und die normale Flut damit keinen Zugriff mehr darauf hatte, blieb es bestehen. Die nach außen verlaufenden Deichecken heißen bei den Elbdeichen „Hörn“, an den Binnenflussdeichen „Huken“.
Beregnungsteiche
Entlang eines ehemaligen, natürlichen Wasserlaufs – Priel oder Bach – kann man noch heute tiefer liegende Flächen erkennen, ehemals Reetflächen. Diese niedrigen, feuchten Flächen sind heute als Beregnungsbecken angelegt, Teiche zur Süßwasserbevorratung für die Frostschutzberegnung.
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